Mutig und auch riskant agieren

Mutig und auch riskant agieren

DIE ERSTE 03.02.2022

Artikel aus der Badischen Zeitung

Erschienen in der BZ (Donnerstag, 03. Februar 2022, "Sport in der Region")

Von Benedikt Hecht

Frauenfußball-Erstligist SC Sand steht im Abstiegskampf vor einer Herkulesaufgabe /
Auftakt am Sonntag bei Bayern München

WILLSTÄTT-SAND. Es gleicht einer Herkulesaufgabe: Nach einer katastrophalen Vorrunde startet der Frauenfußball-Erstligist SC Sand am Sonntag (16 Uhr) in die Mission Klassenerhalt. Und diese bietet gleich zu Beginn zwei schwere Brocken für das Team von Alexander Fischinger. Denn auf die Auswärtspartie beim Tabellenzweiten FC Bayern München folgt direkt das Heimspiel gegen den aktuellen Spitzenreiter VfL Wolfsburg.

Die Bilanz des SC Sand in der Spielzeit 2021/22 liest sich erschreckend. Gerade einmal zwei Punkte gelangen in zwölf Spielen. 3:23 Tore stehen zu Buche, der Abstand auf den SV Werder Bremen, der den ersten Nichtabstiegsrang belegt, beträgt mittlerweile neun Punkte. Lediglich gegen den FC Carl Zeiss Jena (0:0) und die TSG 1899 Hoffenheim (1:1) gelang ein Remis. Aufsteiger Jena hält mit ebenfalls zwei Zählern, aber dem weitaus schlechteren Torverhältnis, derzeit die Rote Laterne der Bundesliga in der Hand.

Schier unmöglich scheint Fischingers Mission. Ist sie von vorneherein zum Scheitern verurteilt? Mitnichten, zumindest wenn es nach Fischinger geht. Denn die fünf Vorbereitungsspiele machen ihm Hoffnung. 17 Treffer gelangen seiner Elf, und die Gegner waren nicht gerade von schlechten Eltern. Gegen den Bundesliga-Vierten Eintracht Frankfurt wurde 1:0 gewonnen, gegen den SC Freiburg (8.) gelang ein 3:3, nur gegen den Dritten Hof-fenheim wurde verloren (1:2). Gegen die Schweizer Erstligisten Young Boys Bern (6:0) und Grasshoppers Zürich (6:1) schoss sich sein Team endgültig den Frust von der Seele.

„In diesen Spielen haben wir uns sehr gut präsentiert. Ich merke, dass alle hochmotiviert sind“, sagt der Coach. Das gebe ihm Mut, dass man sich in München wehren würde, und, wenn alles optimal läuft, „da auch etwas mitnehmen wird. Das mag in manchen Augen vermessen wirken, eine andere Denkweise würde uns aber nicht weiterbringen“, sagt Fischinger.

Mitte November übernahm der 57-jährige Schwarzwälder das Traineramt bei den Sanderinnen von Matthias Frieböse. Bereits in der Vorsaison sprang Fischinger vier Spieltage vor Schluss als Feuerwehrmann ein und rettete den SC am letzten Spieltag vor dem bitteren Gang in Liga zwei. Im Gegensatz zu der Vorrunde „sind wir nun in der Lage, Spiele zu gewinnen“, stellt der Coach nach der Vorbereitung fest. Das liege einerseits an den drei Neuzugängen: Mit der schottischen Stürmerin Kathleen McGovern (19), der israelischen Verteidigerin Shai Perl (24) und der neuseeländischen Keeperin Victoria Esson (30) wurde das Team verstärkt. Letztere soll gemeinsam mit Sarah-Lisa Dübel die bis Saisonende wegen eines Kreuzbandrisses ausfallende Stammtorhüterin Jasmin Pal ersetzen. „Beide zeigten in der Vorbereitung richtig gute Leistungen, daher mache ich mir wenig Sorgen auf dieser Position“, sagt Fischinger. Auch einige bislang verletzt fehlende Spielerinnen kann er nach und nach im Training begrüßen. „Summer Green ist wieder dabei, wenn alles gut läuft, kann sie nach der Länderspielpause im März wieder auflaufen“, sagt Fischinger. Seit Sommer fehlte die US-Stürmerin wegen eines Syndesmosebandrisses.

Wichtig sei für Fischinger die nun längere Vorbereitung, „im November fehlte mir diese, da lief es auch unter mir in den ersten drei Spielen nicht gut. Es gab einfach zu viele Baustellen, auch neben dem Platz“. Sehr viele Gespräche habe er in dieser Zeit geführt. Über die Vorrunde möchte Fischinger eigentlich kein Wort mehr verlieren, „das habe ich den Mädels auch verboten, wir müssen uns auf das Hier und Jetzt konzentrieren“, sagt der erfahrene Coach.

Sehr mutig, aber auch riskant sei seine Planung für die kommenden Partien. „Ich habe keine Lust, gegen Bayern oder Wolfsburg hinten zu mauern“, sagt er, vielmehr möchte Fischinger sein Team regelmäßig im gegnerischen Strafraum sehen. „Das ist mit Risiko behaftet, eine andere Möglichkeit gibt es aber nicht. Denn wenn wir nur vor dem eigenen Sechzehner stehen und versuchen, Tore zu verhindern, können wir nicht gewinnen und uns für den Aufwand belohnen“, sagt Fischinger. „Die Präsentation ist mir in diesen beiden Spielen wichtiger als die Punkte“, so der Trainer, dem durchaus bewusst ist, dass die Sanderinnen auf die Zähler angewiesen sind, wenn sie den Klassenerhalt erreichen wollen.

Natürlich ist Corona auch beim SC Sand ein großes Thema. In der Winterpause fingen sich zwei Spielerinnen das Virus ein, „beide haben großen Trainingsrückstand“. Zudem falle Leonie Kreil wegen eines schweren Verlaufs weiterhin aus. „Dieses Thema dürfen wir nicht unterschätzen. Eigentlich möchte ich das Thema ausblenden, aber es wird uns leider nicht in Ruhe lassen“, sagt der Coach. Einen für vergangenen Sonntag geplanten Teamtag ließ er ausfallen, „es geht darum, Kontakte derzeit zu minimieren“. Jeden Tag würden sich alle im Verein testen. Das Hygienesystem sei top, „doch sehe ich auch, wie die Zahlen hochgehen, es trifft leider alle, ganz verhindern können wir Ansteckungen nicht“.

Dass Alexander Fischinger die Überlegungen von Bayern-Trainer Jens Scheuer in wichtigen Spielen durchkreuzen kann, hat er schon eindrucksvoll bewiesen: 2014 gewann er mit dem SV Waldkirch gegen den von Scheuer trainierten und favorisierten FC Bötzingen 4:0 im südbadischen Männer-Pokalfinale. Gegen dieses Ergebnis hätte der Trainerfuchs am Sonntag sicher nichts einzuwenden.


Foto: Michael Memmler/Eibner-Pressefoto.

Cookie-Hinweis

Diese Website verwendet Cookies gemäß unserer Datenschutzerklärung, um Ihr Nutzererlebnis zu verbessern. Weitere Details zur Nutzung und Deaktivierung von Cookies erfahren Sie hier.

Einverstanden

Cookie-Informationen

Diese Internetseite verwendet Cookies, um die Nutzererfahrung zu verbessern und den Benutzern bestimmte Dienste und Funktionen bereitzustellen. Es werden keine der so gesammelten Daten genutzt, um Sie zu identifizieren oder zu kontaktieren.

Cookies sind kleine Dateien, die lokal auf Ihrem Computer gespeichert werden. Diese Dateien können keinen Schaden an Ihrem Computer anrichten.

Besuchen Sie die Internetseite des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, um mehr über Cookies und lokalen Speicher zu erfahren.

Wenn Sie keine Cookies durch diese Website speichern lassen möchten, können Sie dies direkt in Ihrem Browser einstellen. Wie dies für Ihren Brwoser funktioniert, erfahren Sie bei Klick auf den jeweiligen, nachfolgenden Button.