"ARBEITEN AM LIMIT"

"ARBEITEN AM LIMIT"

DIE ERSTE 26.08.2022

Trainer Alexander Fischinger im Gespräch mit DFB.de

Erschienen auf dfb.de am 25.08.2022, 15:15 Uhr.
Nachzulesen auf: Sand-Trainer Fischinger: "Arbeiten am Limit" - DFB - Deutscher Fußball-Bund e.V.

 

Nach acht Jahren in der FLYERALARM Frauen-Bundesliga eröffnet der SC Sand am Samstag (ab 14 Uhr) beim FSV Gütersloh die Saison 2022/2023 in der 2. Frauen-Bundesliga. Trainer beim Absteiger aus der höchsten Spielklasse ist Alexander Fischinger, der beim SCS zum dritten Mal an der Seitenlinie steht. Im DFB.de-Interview spricht der 58 Jahre alte Fußball-Lehrer mit Mitarbeiter Dominik Dittmar über den Auftakt.

DFB.de: Ihre Mannschaft wird am Samstag beim FSV Gütersloh die Saison 2022/2023 in der 2. Frauen-Bundesliga eröffnen. Ist die Vorfreude schon spürbar, Herr Fischinger?

Alexander Fischinger: Nach sieben Wochen Vorbereitung sind wir froh, dass es jetzt losgeht. Die lange Vorbereitungsphase haben wir uns aber auch bewusst genommen. Nach dem Abstieg mussten wir 18 neue Spielerinnen integrieren. Da benötigt die Eingewöhnung eine gewisse Zeit. Die Mädels haben das begeistert angenommen. Wir haben sehr gute Vorbereitungsspiele abgeliefert, darunter ein 0:2 gegen den Bundesligisten SC Freiburg oder das 1:2 gegen Champions League-Teilnehmer Paris FC. Das macht Mut für die Runde.

DFB.de: Es wird das erste Meisterschaftsspiel nach der Europameisterschaft in England sein. Haben Sie Hoffnung, dass sich der Vize-Titel und vor allem das Auftreten der Frauen-Nationalmannschaft auch auf die Liga auswirken wird?

Fischinger: Die deutlich spürbare stärkere Wahrnehmung des Frauenfußballs ist eine tolle Sache. Und auch eine Wertschätzung der Arbeit, die geleistet wird. Das betrifft sicherlich nicht nur die beiden Bundesligen, sondern geht auch vom Amateurbereich bis runter zum Juniorinnenfußball. Vom größeren Kuchen, der sich abzeichnet, werden wir aber vermutlich finanziell nicht mehr so viel merken. Die Spielerinnen wechseln ohnehin nicht wegen 200 Euro mehr zu uns. Sie entscheiden sich bewusst für unser Projekt und die Möglichkeit, sich bei uns sportlich weiterzuentwickeln. Dass wir ein Sprungbrett sein können, hat sich unter anderem mit dem Wechsel von Marina Georgieva, die sich Paris Saint-Germain angeschlossen hat, erneut gezeigt.

DFB.de: Schon 2008 als Trainer des Frauen-Bundesligisten SC Freiburg hatten Sie die aus Ihrer Sicht zu niedrigen Spielerinnengehälter kritisiert. Haben Sie seitdem eine positive Entwicklung wahrgenommen?

Fischinger: Als wir unser abschließendes Vorbereitungsspiel beim SC Freiburg bestritten haben, kam mir meine Aussage von damals in den Sinn. Diesmal haben wir vor 700 Leuten im Dreisamstadion, der ehemaligen Spielstätte der Profis, gespielt. Nach der Begegnung gab es für beide Teams im VIP-Bereich Verpflegung. Das ist heute absolut vorbildlich. Wenn ich zurückdenke, mussten sich die Spielerinnen früher in Containern umziehen. Nach den Spielen gab es einen Apfel und ein Ei, obwohl schon damals mehr machbar gewesen wäre. Vielleicht war das durch meine Kritik ja auch ein wenig ins Rollen gekommen.

DFB.de: Als Trainer arbeiten Sie schon seit 1998, gründeten ein Jahr später gemeinsam mit den Ex-Profis Alfons Higl und Thomas Schweizer eine Fußballschule für Kinder. Was macht für Sie die Faszination als Trainer aus?

Fischinger: Ich war sehr gerne Spieler, habe auch meinem guten Freund Alfons Higl beim Training mit dem SC Freiburg oft zugeschaut. Der spätere Bundestrainer Joachim Löw war damals sein Mitspieler und arbeitete nebenbei in einem Sportgeschäft als Verkäufer. Bei ihm hatte ich mir damals auch Fußballschuhe gekauft. (lacht) Nach einem schweren Unfall konnte ich etwas später nicht mehr selbst Fußball spielen. Alfons hatte mich dann ein wenig dazu überredet, die Trainerscheine zu machen. Und das war die absolut richtige Entscheidung. Ich hatte dann als Co-Trainer von Alfons im Herrenbereich angefangen. Kurze Zeit später haben wir dann die Fußballschule gegründet. Zu den Kindern, die bei uns waren, gehörten unter anderem Nationaltorhüter Oliver Baumann und sein Bruder Sebastian sowie die ehemaligen Bundesligaspieler Daniel Schwaab und Mohamed Dräger. Das Ziel war aber nicht, die Kinder zu Profis zu machen. Ich mag es einfach, mit jungen und wissbegierigen Leuten zusammenzuarbeiten. Im Amateurbereich der Männer hatte ich zuletzt den Eindruck, dass die Leidenschaft für den Fußball durch die Corona-Pandemie ein wenig nachgelassen hat. Bei den Frauen ist das dagegen noch ungebrochen. Daher stehe jeden Tag mit großer Freude auf dem Platz.

DFB.de: Beim SC Sand sind Sie mittlerweile zum dritten Mal tätig. Was macht den Verein für Sie aus?

Fischinger: Ich finde es beeindruckend, wie der SC Sand gegen alle Widerstände ankämpft, um sich sportlich zu behaupten. Da arbeiten wir am Limit - das aber auch erfolgreich. Die Spielerinnen finden die Aufgabe spannend und wechseln nicht aus finanziellen Gründen zu uns. Das ist für den Teamgeist förderlich. Der Verein hat seinen Dorfcharakter und das familiäre Umfeld beibehalten. Heimspiele sind bei uns Feiertage. Da sind alle Menschen mit dabei und unterstützen uns. Egal, ob als Ordner oder am Grill. Hier wird das Ehrenamt gelebt.

DFB.de: Was war Ihr persönliches Highlight?

Fischinger: Aus emotionaler Sicht das DFB-Pokal-Halbfinale 2015/2016 gegen den FC Bayern München. Schon vor der Begegnung hatte uns Joachim Löw für die Mädels eine Grußbotschaft als Motivationsvideo geschickt. Dass wir dann tatsächlich 2:1 gewonnen haben, war unglaublich. Das Saisonfinale 2020/2021 wird mir auch definitiv in Erinnerung bleiben. Wir hatten acht Wochen Zeit, um in vier Spielen den Klassenverbleib zu schaffen. Und das war uns mit zehn Zählern dann auch gelungen.

DFB.de: Nach acht Jahren in der FLYERALARM Frauen-Bundesliga geht der SC Sand jetzt in der zweithöchsten Spielklasse an den Start. Wie groß waren nach dem Abstieg die Einschnitte?

Fischinger: Auch jetzt fühlt sich der Abstieg unnötig an. Es tut noch weh, dass wir in der Vorrunde nicht alles abrufen konnten. Auch beim Klassenverbleib hätten wir uns für einen Umbruch entschieden, so ist er noch einmal deutlicher ausgefallen. Mit Emily Evels, Shai Perl, Kathleen McGovern und Isabella Scheerder sind nur vier Spielerinnen geblieben. Für die Innenverteidigung und die Flügelpositionen wollen wir bis zum Transferschluss noch etwas machen. Rund 70 Prozent unserer Spielerinnen sind neben dem Fußball berufstätig. Da ist bei der Gestaltung der sieben Trainingseinheiten in der Woche Flexibilität gefragt. Beim letztjährigen Kader war die Quote noch umgekehrt. Ich ziehe den Hut vor unseren Mädels.

DFB.de: Ist der direkte Wiederaufstieg das Ziel?

Fischinger: Wir würden uns ganz bestimmt nicht dagegen wehren. Zum aktuellen Zeitpunkt wäre es nach unserem großen Umbruch aber noch vermessen, an die Rückkehr in die FLYERLARM Frauen-Bundesliga zu denken. Wir wollen das Optimale herausholen. Das bedeutet: Wir wollen von Woche zu Woche an der Entwicklung unserer Spielerinnen und unseres Teams arbeiten.

DFB.de: Wie schätzen Sie die Auftaktaufgabe beim FSV Gütersloh ein?

Fischinger: RB Leipzig ist in dieser Saison ohne Umschweife der Topfavorit. Dahinter sehe ich einige Teams, die sich ein Rennen um den zweiten Platz liefern werden. Der FSV Gütersloh, der sich aus meiner Sicht gut verstärkt hat, wird da vermutlich genauso hinschielen wie die SG 99 Andernach und der 1. FC Nürnberg.

DFB.de: Was wird für Ihre Mannschaft wichtig sein?

Fischinger: Wir haben keinen Grund, uns vor irgendeinem Gegner zu verstecken. Man soll von außen erkennen, dass bei uns ein Team auf dem Platz steht. So früh in der Saison kann noch nicht alles klappen. Ich erwarte aber, dass wir unsere Fehler direkt wieder gutmachen wollen und eine laufintensive Spielweise an den Tag legen.

 

Autor: mspw
Bild: Michael Memmler

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